Kulturelle Schlussveranstaltung im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin am 12.10.2024
DEUTSCHLAND – JAPAN
Spiegelungen.Aufbruch!
Gartenkultur, Weisheitstraditionen, Tanz, Animexx
Eine westöstliche Hommage
Zur Deutsch-Japanischen Gesellschaft Bielefeld sowie zum Verband Deutsch-Japanischer Gesellschaften bestehen seitens der KunstLandschaften e. V. intensive Beziehungen. Vom 11.-13. Oktober 2024 fanden Partnerschaftstage der Verbände Deutsch-Japanischer und Japanisch-Deutscher Gesellschaften – mit jeweils über 50 Einzelverbänden – am Japanisch-Deutschen Zentrum in Berlin statt.
Auf Initiative der Tagungsleitung gestalteten Christoph und Kumiko Ogawa-Müller die kulturprogrammatische Schlussveranstaltung hierzu. Die Entfaltung der Thematik am Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin bildete zugleich ein Pendant zur Tagungseröffnung in der Japanischen Botschaft in Berlin.
Wir sind Partner:
Japan und Deutschland
Komposition: „Ichikozu“ – Koto (japanische Liegeharfe) Ritsuo Takeyama
Es ist kaum zu glauben, was sich in wenigen Jahrzehnten verändert hat: Als ich 1970 meine Heimatstadt Karlsruhe verließ, wo im Mai die VDJG-Jahrestagung stattfand, war ich zuvor lediglich zwei Japanern begegnet.
Heute dagegen ist Japan allgegenwärtig: Durch Erzeugnisse für Haus und Garten von besonderer Art. Durch technische Produkte und exquisite Speiseangebote in erlesener Gastronomie wie auch im Supermarkt. Darüber hinaus: durch die mediale Manga- / Anime-Kultur erreicht Japan auch Kinder und Jugendliche aller Schichten in aller Welt.
Es ist unglaublich:
Was aus Japan kommt, ist durchstimmt von Ästhetik, die einer tiefen Weisheitskultur entstammt.
Demgegenüber:
Viel früher als Japaner nach Deutschland waren Deutsche nach Japan gereist:
// Engelbert Kaempfer, aus der norddeutschen Hansestadt Lemgo, von 1690-1692 sowie
// Philipp Franz von Siebold aus der fränkischen Bischofsstadt Würzburg von 1823-1829 sowie 1859. Beide waren Ärzte und Naturforscher.
Japan liegt auf einem anderen Teil dieser Erde. Und dennoch kann eine kaum fassbare menschliche Nähe durch das Erleben der Teezeremonie, durch Gartenkultur, die Sprache der Speisen, der Architektur und vieles andere mehr entstehen.
1.Kirschblüte
Das wohl am meisten verbreitete japanische kulturelle Medium ist die „Sprache“ der Kirschblüte.
1.1 Wo spielt diese Szene?
Der kleine Lino Hiro stapft in einem Meer von Kirschblüten Richtung Osten, in Richtung Japan?
Das Foto ist mitten in Siegen, einer Stadt mit Bergbautradition (ca. 100.000 Einwohner) aufgenommen.
In Japan war Lino bereits, kaum einjährig, und konnte enge Bande in non-verbalem Dialog mit seiner japanischen Urgroßtante Masako knüpfen.
Die Kirschblüte steht zugleich für Blütenzauber und Vergänglichkeit. Die Kunst der Bildenden Darstellung macht jedoch das rasch Vergängliche dauerhaft gegenwärtig.
1.2 Zeichnung von Yumi:
Sie sehen ein Bild, das die elfjährige Yumi – eine Vierteljapanerin – für unseren Anlass gezeichnet hat.
Die Musik vermag, dass „auf Flügeln des Gesanges“ im Innersten des Menschen die Kirschblüte in einem Reichtum an „Anklängen“ präsent wird. Jetzt in einem Dialog zwischen japanischer und europäischer Klangtradition.
Gegenwart:
Liedinterpretation „sakura“ – Koto und Stimme
2. Fujiama
Hier in Berlin verbindet uns interkontinental auf geradezu magische Weise eine bildliche, klangliche und verbale Repräsentanz von Japans Heiligem Berg, Fujisan, in westlichen Sprachen: Fujiyama. Durch diesen Berg wird auch uns Europäern in besonderer Weise bewusst, dass der Mensch mit der Natur, ja dem gesamten Kosmos untrennbar verbunden ist.
2.1 Gartenskulptur Fujiyama:
Diese Perspektive liegt ebenso der japanischen Gartenkultur zugrunde. Die japanische Gartenkultur findet heute weltweit prägende Beachtung. Sie ist auch in den Gärten der Welt Berlin vertreten. Die Kultur der Natur bildet eine für alle Menschen unmittelbar wirksame Sprache.
2.2 Liedintepretation Fujisan – Koto, Trompete
(mit und ohne Dämpfer), Stimme
Die Sprache der Bilder kann gerade zu „Berge versetzen“, wie es in der Bibel heißt. Wie wir uns klar gemacht haben, überwindet die Sprache der Bilder Grenzen von Ländern und Kontinenten über verbale Sprachgrenzen hinweg.
Die Unicef-Karte – gestaltet von Yasuhiro Tanigawa – zeigt den Fujiyama als internationales Symbol. Gemäß dem griechischen Stammwort symballein = zusammenwerfen, zusammenfügen bringt das Symbol unterschiedliche menschliche Bereiche – Herz, Seele und Intellekt / Verstand in Einklang.
Der an der Humboldt-Universität Berlin lehrende Philosoph und Soziologe Volker Gerhardt stellt einen Mangel an grundlegender Sinnerfahrung beim heutigen Menschen fest.
Auf der Fujiyama-Zeichnung von Yumi ist ein Kranich zu sehen. Der Kranich gilt als Symbol der sich frei erhebenden Seele und steht zugleich für ein langes Leben von 1000 Jahren. Auf vielen bildnerischen Darstellungen in der Malerei, der Kimonogestaltung wie auch der Gartenkunst wird dem Kranich eine Schildkröte als Symbol innerer Widerstandsfähigkeit gegenübergestellt. Ihre Lebensdauer beträgt 10.000 Jahre.
Was macht den Fujiyama als Symbol so bedeutsam, was verleiht ihm eine gleichsam magische Bedeutung?
Der Mensch fühlt sich durch diesen Berg mit Himmel und Erde vereint. Hierdurch erlebt er sich zugleich als irdisches Wesen und Teil eines erhabenen Ganzen.
3. Japonismus
3.1 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsteht ein interessantes Phänomen:
Der europäisch-amerikanische Westen zeigt sich aufgeschlossen gegenüber außereuropäischen Kulturen. Ein besonderer Rang kommt dabei Ostasien, insbesondere Japan zu. Die Bildende Kunst Japans, aber auch Gegenstände des ästhetischen Gebrauchs üben eine bis dahin nicht gekannte Faszination aus.
Von Frankreich kommend, breitet sich unter der Bezeichnung Japonismus das Interesse an japanischer Kunst und Kultur wie eine starke Welle über Europa und Amerika aus.
3.2 Einen eigenen Stellenwert nimmt dabei der japanische Einfluss auf die „Bauhaus-Bewegung“ ein, der sich dann international weitergehend entwickelt. Dieser Resonanz-Impuls wird unter dem Titel „Von Dessau nach Tokio“ erkennbar.
4. Historie und aktuelle Gegenwart
Zum Abschluss unseres heutigen Dialoges Deutschland – Japan werden ganz unterschiedliche Sparten zusammengeführt:
Die Ausführende Kumiko Ogawa-Müller war – typisch für die Nachkriegsgeneration – als Jugendliche darauf ausgerichtet, westliche Kultur zu verstehen, zu erlernen und auszuüben. Dies führte sie zum Orgelstudium an der Gedai-Musikhochschule in Tokio und dann auch weiter an deutsche Hochschulen.
Die Japan-Faszination ihres Ehemannes, ihrer Kinder und Enkelkinder brachte sie auf den Rückweg: Im Kimono tanzt sie nun zu Praeludium h-Moll, BWV 893, aus dem Wohltemperierten Klavier von Johann Sebastian Bach. Dabei verbindet sie nach klassischem europäischen Ballett-Unterricht in eigener Choreografie Elemente des westlichen Ausdruckstanzes mit solchen des japanischen „Erzähltanzes“.
Der Kimono erscheint heute international als singulärer Gipfel der Bekleidungskunst schlechthin.
Johann Sebastian Schaffen behält für die Musikerin Kumiko Ogawa-Müller auch nach Jahrzehnten einen unvergleichlichen Stellenwert.
Sie hören eine Einspielung der Bach-Komposition von Kumiko Ogawa-Müller auf dem Cembalo in der Stiftskirche Enger:
In diesem Kirchenraum, ursprünglich Teil eines von der mittelalterlichen Königin Mathilde gegründeten Stiftes, ist sie seit nahezu fünf Jahrzehnten als Organistin tätig. Königin Mathilde war die Mutter Ottos des Großen, dadurch gewinnt der Raum eine besondere kulturhistorische Dimension, die Kumiko Ogawa-Müller in einem „Musikalischen Drama Mathilde“ entfaltet hat.
Dem Cembalo im Altarraum kam im Jahr 1985 bei einer musikalischen Nacht im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) zum 300.Geburtstag von Johann Sebastian Bach eine besondere Bedeutung zu. Durch günstige Umstände konnten wir das Instrument kurze Zeit danach für den dauerhaften Bestand der Stiftskirche Enger erwerben.
Der Filmausschnit zum Tanz entstammt einem Besuchervideo. Eine geplante professionelle Filmaufnahme des gesamten Tanzes wird die authentische Life-Impression ergänzen.
Bildrechte: KunstLandschaften e. V. / Verband Deutsch-Japanischer Gesellschaften